Ein Kurzfilm von Ula Stöckl, mit Grischa Huber und Texten aus „Hyperion“ von Hölderlin: „Ich möcht ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich!”
Ula Stöckl: "Als die Mauer aufging, Währungsunion und Einigungsvertrag zustande gekommen waren, hielt es die Schauspielerin Grischa Huber für an der Zeit, etwas zum Trost der Deutschen zu tun, die sie, wie Hölderlin, als ein sehr zerrissenes Volk empfand. Immer schon eine Liebhaberin von J.C.F. Hölderlin, traf sie eine Auswahl unter ihren Lieblingstexten im Roman Hyperion.
Diese Texte richtete sie im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses, zu dessen Ensemble sie bis 1991 gehörte, szenisch ein. Eine Stunde dauerte ihr Abend. Überrascht von der sehr positiven Resonanz sowohl der Hamburger Kritik als auch ihres zum Teil recht jungen Publikums, wiederholte sie den Hölderlin-Abend noch mehrere Male.
Als ich einen dieser Abende miterlebt hatte, stand für mich fest, dass ich eine Verbindung schaffen musste zwischen der Sängerin Ilse in meinem Film 'Das alte Lied' und diesem Abend der Schauspielerin Grischa Huber, die seit langem einverstanden war, für den Film das Lied der Ilse zu singen, das Deutschlandlied neu zu interpretieren und die rätselhafte schöne Frau zu spielen, die vielleicht Ilse ist.
Grischa Huber und ich waren uns aber auch einig darüber, dass Teile aus ihrem Abend nicht einfach in den Film zu übertragen sind. Wir fanden die Lösung. Ein Prolog war denkbar. Nun wählte ich neun Textstellen aus den Texten aus, für die Grischa Huber sich entschieden hatte. Wir inszenierten diese Texte in die Landschaft des Todesstreifens, in den Platz, auf dem die abgerissene Mauer zu Schotter verarbeitet wird. Es entstand ein eigenständiger Kurzfilm. Dieser gehört in der vorliegenden Form unverzichtbar vor „Das alte Lied”.
Auswahl der im Film verwendeten Texte aus „Hyperion” von Hölderlin:
Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte Lied der Deutschen.
Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ich’s, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrissener wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen. Ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinanderliegen, indessen das vergossne Lebensblut im Sande zerrinnt?
Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Notwendigsten, und darum ist bei ihnen auch so viele Stümperarbeit und so wenig Freies, Echterfreuliches. Doch das wäre zu verschmerzen, müssten solche Menschen nur nicht fühllos sein für alles schöne Leben, ruhte nur nicht überall der Fluch der gottverlassnen Unnatur auf solchem Volke.
Ich möcht ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich!
(Quelle: ula-stoeckl.com)
Ula Stöckl ist eine Ikone der Frauenbewegung und eine der bemerkenswertesten Filmemacherinnen der Bundesrepublik Deutschland. Sie realisierte mehr als 20 Filme, zu denen sie meist selbst die Drehbücher schrieb und und die überwiegend als Eigenproduktionen entstanden. Ihr Film NEUN LEBEN HAT DIE KATZE (BRD 1968) gilt als erster feministischer Film. Für ihren Film DER SCHLAF DER VERNUNFT (BRD 1984) erhielt sie den Deutschen Filmpreis und den Preis der Deutschen Filmkritik. Mit dem Film DAS ALTE LIED (1992) lieferte sie den ersten Spielfilm nach dem Mauerfall, der sich mit der deutsch-deutschen Realität beschäftigt. Heute ist sie Professorin für Regie und „Frauen im Film“ an der University of Central Florida. Viele ihrer Filme reflektieren Erfahrungswelten von Frauen, die sich gesellschaftlichen Zwängen zu entziehen versuchen. (LESPRESS)
Ein Kurzfilm von Ula Stöckl, mit Grischa Huber und Texten aus „Hyperion“ von Hölderlin: „Ich möcht ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich!”
Ula Stöckl: "Als die Mauer aufging, Währungsunion und Einigungsvertrag zustande gekommen waren, hielt es die Schauspielerin Grischa Huber für an der Zeit, etwas zum Trost der Deutschen zu tun, die sie, wie Hölderlin, als ein sehr zerrissenes Volk empfand. Immer schon eine Liebhaberin von J.C.F. Hölderlin, traf sie eine Auswahl unter ihren Lieblingstexten im Roman Hyperion.
Diese Texte richtete sie im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses, zu dessen Ensemble sie bis 1991 gehörte, szenisch ein. Eine Stunde dauerte ihr Abend. Überrascht von der sehr positiven Resonanz sowohl der Hamburger Kritik als auch ihres zum Teil recht jungen Publikums, wiederholte sie den Hölderlin-Abend noch mehrere Male.
Als ich einen dieser Abende miterlebt hatte, stand für mich fest, dass ich eine Verbindung schaffen musste zwischen der Sängerin Ilse in meinem Film 'Das alte Lied' und diesem Abend der Schauspielerin Grischa Huber, die seit langem einverstanden war, für den Film das Lied der Ilse zu singen, das Deutschlandlied neu zu interpretieren und die rätselhafte schöne Frau zu spielen, die vielleicht Ilse ist.
Grischa Huber und ich waren uns aber auch einig darüber, dass Teile aus ihrem Abend nicht einfach in den Film zu übertragen sind. Wir fanden die Lösung. Ein Prolog war denkbar. Nun wählte ich neun Textstellen aus den Texten aus, für die Grischa Huber sich entschieden hatte. Wir inszenierten diese Texte in die Landschaft des Todesstreifens, in den Platz, auf dem die abgerissene Mauer zu Schotter verarbeitet wird. Es entstand ein eigenständiger Kurzfilm. Dieser gehört in der vorliegenden Form unverzichtbar vor „Das alte Lied”.
Auswahl der im Film verwendeten Texte aus „Hyperion” von Hölderlin:
Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte Lied der Deutschen.
Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ich’s, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrissener wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen. Ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt untereinanderliegen, indessen das vergossne Lebensblut im Sande zerrinnt?
Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Notwendigsten, und darum ist bei ihnen auch so viele Stümperarbeit und so wenig Freies, Echterfreuliches. Doch das wäre zu verschmerzen, müssten solche Menschen nur nicht fühllos sein für alles schöne Leben, ruhte nur nicht überall der Fluch der gottverlassnen Unnatur auf solchem Volke.
Ich möcht ein freier Land, ein Land voll Schönheit und voll Seele dir zeigen und sagen: dahin rette dich!
(Quelle: ula-stoeckl.com)
Ula Stöckl ist eine Ikone der Frauenbewegung und eine der bemerkenswertesten Filmemacherinnen der Bundesrepublik Deutschland. Sie realisierte mehr als 20 Filme, zu denen sie meist selbst die Drehbücher schrieb und und die überwiegend als Eigenproduktionen entstanden. Ihr Film NEUN LEBEN HAT DIE KATZE (BRD 1968) gilt als erster feministischer Film. Für ihren Film DER SCHLAF DER VERNUNFT (BRD 1984) erhielt sie den Deutschen Filmpreis und den Preis der Deutschen Filmkritik. Mit dem Film DAS ALTE LIED (1992) lieferte sie den ersten Spielfilm nach dem Mauerfall, der sich mit der deutsch-deutschen Realität beschäftigt. Heute ist sie Professorin für Regie und „Frauen im Film“ an der University of Central Florida. Viele ihrer Filme reflektieren Erfahrungswelten von Frauen, die sich gesellschaftlichen Zwängen zu entziehen versuchen. (LESPRESS)